Eigentümer muß sich vor der Versammlung nicht äußern

Zwischen den Eigentümern einer Wohnungseigentumsanlage besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem verschiedenste Pflichten resultieren, wie z.B. ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot. Aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis erwächst jedoch dem einzelnen Wohnungseigentümer in der Regel nicht die Verpflichtung, sich bereits im Vorfeld einer Wohnungseigentümerversammlung zu seinem Kommen und/oder zu seinem Abstimmungsverhalten zu äußern.

 

Hintergrund war Folgender: In der Eigentümerversammlung sollte sowohl der Kostenverteilungsschlüssel der Anlage geändert werden als auch eine sogenannte Öffnungsklausel, also eine Regelung, die Änderungen der Gemeinschaftsordnung per Mehrheitsbeschluß erlaubt, eingeführt werden. Die Verwaltung hatte – zu Recht – darauf hingewiesen, daß nach der „Zitterbeschluß“-Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 20.09.2000 dazu keine Beschlußkompetenz mehr besteht und entsprechende Beschlüsse nichtig seien. Aus diesem Grund sollte das Ganze auch über eine Vereinbarung geregelt werden. Die Verwaltung informierte die Eigentümer im Vorfeld und sagte, daß sie zur Versammlung einen Notar mitbringen würde, um die für eine - auch gegenüber Rechtsnachfolgern haltbare - allstimmige Vereinbarung erforderliche öffentliche Beglaubigung durchzuführen. Wenn jemand gegen die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels oder die Einführung einer Öffnungsklausel sei, sollte er das vor der Versammlung mitteilen, da sich dann die Anwesenheit des Notars erübrigen würde. Es gab Eigentümer, die auf diese Aufforderung nicht reagierten. In der Versammlung waren nicht alle Eigentümer anwesend, es wurde jedoch dennoch durch den Notar beglaubigt. Nachdem letztlich auch nach der Versammlung nicht die Unterschrift aller Eigentümer beigebracht werden konnte, kam es nicht zu den Änderungen der Gemeinschaftsordnung. Der Notar stellte ca. 2.200,- € in Rechnung, deren Erstattung die WEG von den nicht Zustimmenden begehrte. Dem erteilte das OLG München eine Absage. Es müsse jedem Eigentümer freigestellt bleiben, zu entscheiden, ob er zu einer Versammlung komme oder nicht. Auch könne er sich während der Versammlung noch eine andere Meinung bilden.

 

Urteil vom 28.06.2005

Gericht: OLG München

Aktenzeichen: 32 Wx 46/05

Quelle: NZM 2005, 585

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