Auslegung der Zweckbestimmung: Gewerbliche Nutzung

Die Zweckbestimmung eines Teileigentums als gewerbliche Räume steht der Nutzung als Tagesstätte mit Kontakt- und Informationsstellenfunktion für Menschen mit psychischer Behinderung nicht entgegen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken erläuterte, daß bei der Bezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung als „Gewerbe“ nicht unbedingt eine Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund stehen müsse. Es könne im Einzelfall darunter auch zu verstehen sein, daß in den Räumen eine Nutzung gestattet sein soll, die mit Publikumsverkehr und somit unter Umständen einer intensiveren Nutzung einhergehen kann, als dies bei bloßem Wohnraum der Fall ist. Das Gericht verwies noch einmal darauf, daß einer etwaigen anderen Beschriftung im Aufteilungsplan keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (so auch schon das Bayerische Oberste Landesgericht, ZMR 2000, 234). Bezeichnungen im Aufteilungsplan hätten allenfalls den Charakter von Nutzungsvorschlägen.

 

OLG Zweibrücken, Beschluß v. 11.08.2005, 3 W 21/05 in NZM 2005, 868

 

Ähnlich entschied das Oberlandesgericht Hamm: Die Nutzung der in der Teilungserklärung als „gewerbliche Einheit“ ohne weitere Zweckbindung bezeichneten Räume als Begegnungsstätte (Kommunikations- und Informationszentrum) eines deutsch-kurdischen Kulturvereins ist nicht unzulässig. Auch dieses Gericht fand entscheidend, daß von der tatsächlichen Nutzung keine stärkeren Beeinträchtigungen ausgingen als von der gewerblichen. Die Zweckbestimmung als „gewerbliche Einheit“ sei eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, die nach herrschender Auffassung dahin auszulegen sei, daß nur eine solche Nutzung der betreffenden Räumlichkeiten ausgeschlossen sein soll, von der bei einer typisierenden Betrachtungsweise stärkere Beeinträchtigungen ausgehen als sie mit der Nutzung entsprechend dem in der Teilungserklärung festgelegten Zweck verbunden sind. Da jeder gewerbliche Zweck erlaubt sei, müsse auch keine Beschränkung auf die Ladenschlußzeiten beachtet werden, wie das z.B. bei einer Zweckbestimmung als Laden der Fall ist. Selbst Zusammenkünfte überwiegend geselligen Charakters seien zulässig, schließlich würde die Zweckbestimmung mit dem Attribut gewerblich sogar die Nutzung als Gaststätte genehmigen. Eine Ausnahme wird man nach Ansicht des Gerichts dann machen müssen, wenn die anderen Einheiten – nach der Teilungserklärung, nicht nach der Wirklichkeit – alles Läden wären, so daß insgesamt der Charakter einer Ladenpassage vorläge. Grundsätzlich ist also eine weniger beeinträchtigende Nutzung als ein Gewerbe zulässig. Eine Grenze zieht das Gericht allerdings bei der Wohnnutzung, die von ihm in Gewerbeeinheiten weiterhin als unzulässig angesehen wird.

 

OLG Hamm, Beschluß v. 12.04.2005, 15 W 29/05 in NZM 2005, 870

 

Urteil vom 11.08.2005

Gericht: OLG Zweibrücken

Aktenzeichen: 3 W 21/05

Quelle:

Urteil vom 12.04.2005

Gericht: OLG Hamm

Aktenzeichen: 15 W 29/05

Quelle:

Zurück zur Übersicht