Gebäudesetzungen als Elementarschaden

Was ist ein Erdrutsch? Bei diesem Begriff fallen einem spontan die aus den Medien bekannten Großschadensereignisse ein, bei denen Berghänge abrutschen und Häuser verschütten. Es geht aber auch anders:

Erdrutsch ist ein Bestandteil der Elementarversicherung. In der Klausel der Gebäudeversicherung stand dazu folgender Satz: „naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen“.

An einem Hang gab es nun eine Bebauung. Dazu war ein Teil des Hangs vor Jahrzehnten in Terrassenform aufgeschüttet worden. Ein Wohnhaus wies Rissbildungen auf. Diese wurden offenbar durch Setzen des Grunds verursacht. Der Hauseigentümer sah das als Erdrutsch an. Die Versicherung lehnte eine Zahlung ab, weil das langsame Setzen des Untergrunds um ein paar Zentimeter pro Jahr nach ihrer Auffassung noch kein Erdrutsch war. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht teilten die Auffassung der Versicherung, dass ein Erdrutsch schon sinnlich wahrnehmbar, also etwas Größeres sein, mithin eine gewisse Dynamik beinhalten müsse. Er sei vergleichbar mit den anderen von der Elementardeckung genannten Ereignissen Überschwemmung, Lawinen, Vulkanausbrüchen, die ja auch deutlich wahrnehmbar sind. Bei der hier vorliegenden Setzung läge bloß ein sogenanntes „Erdkriechen“ vor. Das ist sogar ein Begriff aus der Geologie.

Dieser Spitzfindigkeit erteilte der Bundesgerichtshof jedoch eine klare Absage. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie versteht, der keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse hat. Fachausdrücke sind hierbei nicht relevant, wenn diese üblicherweise nur Fachleuten geläufig sind. Das kann man gut nachvollziehen, mir war der Begriff „Erdkriechen“ bisher auch noch nicht bekannt.

Die von den Vorgerichten geforderte Dynamik des Ereignisses sah der BGH schon von der einen Alternative des Abstürzens umfasst. Dementsprechend musste die andere Alternative, das Abgleiten, etwas anderes bedeuten, nämlich die sanfte Setzung, wie sie hier stattgefunden hatte. Eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit war laut Bundesgerichtshof also nicht gefordert.

Urteil vom 09.11.2022

Gericht: BGH

Aktenzeichen: IV ZR 62/22

Quelle: NZM 2023, 93

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