Umfang einer Öffnungsklausel - Belastungsverbot

Ein patentes Mittel, während des langen Lebens einer Wohnanlage praktische Änderungen an der ansonsten zementierten Gemeinschaftsordnung vorzunehmen, sind Öffnungsklauseln. Sie regeln, daß die Gemeinschaftsordnung mit einer qualifizierten Mehrheit geändert werden kann. Üblich sind 2/3 oder 3/4 der anwesenden oder aller Stimmen. Ist eine solche in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen, besteht grundsätzlich („formell“) Beschlußkompetenz. Die Frage, was ist, wenn diese qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wird, ein Beschluß aber dennoch verkündet wird, wurde dem Bundesgerichtshof vorgelegt, der sich aber an die Beantwortung nicht herantraute. Er ließ die in der Literatur umstrittene Entscheidung offen, ob ein solcher Beschluß anfechtbar ist oder gar unwirksam.

BGH V ZR 53/14 v. 12.12.2014 in NZM 2015, 218

In einem anderen Verfahren nahm der Bundesgerichtshof aber zu der Frage Stellung, was überhaupt inhaltlich („materiell“) durch eine solche Öffnungsklausel geregelt werden kann.

Nach der berüchtigten Zitterbeschluß-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2000 war es bekanntlich nicht mehr möglich, den Kostenverteilungsschlüssel im Beschlußweg zu ändern. Ausnahmen wurden 2007 in das Gesetz eingeführt oder ergaben sich schon direkt aus der Teilungserklärung, nämlich wenn eine Öffnungsklausel vorlag. Als Änderung der Kostenverteilung wurde es auch angesehen, wenn die Eigentümer „Naturalien“ zu erbringen hatten, also beispielsweise selbst Schnee schippen sollten, statt nur die Kosten dafür zu tragen.

Nun erweitert der Bundesgerichtshof seine Auffassung aber auch auf den Fall, daß eine Öffnungsklausel vorliegt. Auch wenn man mit dieser eigentlich relativ unproblematisch per Beschluß die Teilungserklärung ändern kann, ist es dennoch nicht zulässig, mit ihr neue Leistungspflichten der Eigentümer zu begründen. Die Eigentümer hatten beschlossen:

„Die Gemeinschaft beschließt in Änderung der Teilungserklärung mit 4 Ja- und 2 Nein-Stimmen, dass hinsichtlich der Sondernutzungsflächen der Erdgeschosswohnungen … ab dem 1.7.2012 die ordnungsgemäße Instandhaltung in Gestalt von Gartenpflege- und Reinigungsarbeiten den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten obliegt und diese auch die dadurch entstehenden Kosten zu tragen haben. Dies schließt die notwendige Bewässerung mit ein.“

Gegen diesen Beschluß reichte eine Eigentümerin Klage ein. Der Bundesgerichtshof sah zwar aufgrund der Öffnungsklausel zwar grundsätzlich „formell“ eine Beschlußkompetenz der Gemeinschaft.

Inhaltlich („materiell“) konnte der Beschluß aber aus Sicht der Bundesrichter keinen Bestand haben. Zu den Grundfesten des Wohnungseigentumsrechts zählt ein sogenanntes Belastungsverbot. Dabei handelt es sich um ein eigentlich unentziehbares Mitgliedschaftsrecht. Auf dieses Individualrecht kann der Betreffende aber verzichten. Mit anderen Worten ist über den Beschluß hinaus auch noch die Zustimmung des Einzelnen nötig. Solange diese nicht vorliegt, ist der Beschluß „schwebend unwirksam“. Er ist also in der Schwebe, eigentlich unwirksam, kann aber durch Vorliegen der Zustimmung aller nachteilig Betroffenen geheilt werden.

Da dieses Belastungsverbot jeden Eigentümer vor der Aufbürdung neuer Pflichten schützt, die er nicht eh schon kraft Gesetzes oder Gemeinschaftsordnung hat, konnte der Beschluß keinen Bestand haben, da nach dem gesetzlichen Leitbild Instandhaltung und Instandsetzung durch die WEG, vertreten durch die Verwaltung, vergeben werden und die einzelnen Eigentümer hierfür nur die Kosten zu zahlen haben.

Nun zu der eigentlichen Brisanz der Entscheidung: Sondernutzungsrechte an Gärten ändern nichts daran, daß der Garten als solcher Gemeinschaftseigentum bleibt. Damit ist also die Gemeinschaft für Instandhaltung und Instandsetzung des Privatgartens zuständig, falls der Notar verschlafen hat, eine anderslautende Regelung in die Gemeinschaftsordnung aufzunehmen! Üblicherweise findet sich in Gemeinschaftsordnungen ein Passus, wonach der Sondernutzungsberechtigte sein Sondernutzungsrecht selbst zu unterhalten hat, aber nicht in allen.

Der Bundesgerichtshof kippte den Beschluß übrigens auch vollumfänglich und deutete ihn gerade nicht in eine wirksame Kostentragungsregelung um.

BGH, Urteil v. 10.10.2014, V ZR 315/13 in NZM 2015, 88

 

Urteil vom 12.12.2014

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 53/14

Quelle:

Urteil vom 10.10.2014

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 315/13

Quelle:

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