Sondereigentum ohne Wände und Abgeschlossenheitsbescheinigung

Ist die Begrenzung des Sondereigentums nach dem Aufteilungsplan und der Bauausführung eindeutig, kann Sondereigentum an einem Raum auch dann entstehen, wenn es an einer tatsächlichen Abgrenzung des Raums gegen fremdes Sondereigentum fehlt. Hier wich die tatsächliche Bauausführung gegenüber dem Aufteilungsplan ab. In diesem waren zwei Wohnungen eingezeichnet. Die im Plan enthaltende Türe zwischen Diele und Wohnzimmer der Wohnung 1 bestand nicht. Das Zimmer war auch nicht gegen den angrenzenden Wohnraum der Wohnung 2 abgeschlossen, sondern bildete mit diesem zusammen einen großen Raum, der allein von der Wohnung 2 aus zugänglich war. Die Wohnung 2 wurde verkauft, dem Kaufvertrag war eine Baubeschreibung beigefügt, die der tatsächlichen Bauausführung entsprach. Der Bundesgerichtshof betonte, daß eine Abweichung der tatsächlichen Bauausführung von dem Aufteilungsplan das Entstehen von Sondereigentum grundsätzlich nur dann hindert, wenn die Abgrenzung eines Sondereigentums gegen das Gemeinschaftseigentum und das weitere Sondereigentum in dem Gebäude nicht unmöglich ist. Entgegen einer auch von Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung entschied der BGH, daß auch “Luftschranken” genügen würden, um ein Sondereigentum abzugrenzen. Danach kann unterschiedliches Sondereigentum sogar an Teilen eines Raumes bestehen. Eine im Aufteilungsplan eingezeichnete Trennwand begrenzt das Sondereigentum hinreichend, auch wenn sie in der Realität gar nicht gebaut wurde. Auch das grundsätzliche Erfordernis einer Abgeschlossenheitsbescheinigung ändert daran nichts. Sie ist keine notwendige Voraussetzung für das Entstehen von Sondereigentum. § 3 Absatz 2 WEG ist dementsprechend nur als Sollvorschrift ausgestaltet. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung dient nur der Erleichterung der Prüfung des Eintragungsantrags durch das Grundbuchamt und ist nicht Voraussetzung für das Entstehen des Sondereigentums. Auch die spätere Aufhebung der Abgeschlossenheit läßt den Bestand des Sondereigentums unberührt (BGH NZM 2001, 196). Probleme sah das Gericht aber bei der Frage, was denn nun verkauft wurde, da Grundbuchstand und Kaufvertrag voneinander abwichen. Diese Frage verwies es zur erneuten Entscheidung an das untergeordnete Gericht zurück.

 

Urteil vom 18.07.2008

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 97/07

Quelle: NZM 2008, 688 = ZWE 2008, 426

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