Der Kran über dem Grundstück

Dass das Grundstück nach links und rechts, vorn und hinten, durch Grenzmarkierungen oder im Katasteramt vom Umfang her genau definiert ist, ist jedem klar. Wie weit geht das Grundstück aber nach oben und unten? Nutzt ein Gebäude unterirdisch den Nachbargrund, zum Beispiel für eine Tiefgarage, werden die gleichen Grenzen herangezogen und anhand der (oberirdischen) Pläne dann eben ein Unterbaurecht im Grundbuch eingetragen. Aber irgendwann muss nach unten ja Schluss sein. Dem Großstädter, bei dem die U-Bahn irgendwo tief unter dem Gebäude verläuft, ist das klar. Und wenn man nicht gerade der veralteten Auffassung folgt, dass die Erde eine Scheibe ist (was auch heute ernsthaft noch einige Menschen behaupten), wird einem schnell klar, dass bei der Kugelform das Grundstück nach unten hin immer spitzer zuläuft und wohl irgendwann beim Erdkern mal Schluss ist.

Die gleiche Frage stellt sich natürlich auch nach oben hin. Wie weit gehört mir der Luftraum über meinem Grundstück? Wenn schon nicht den Turm zu Babel, so weisen manche Grundstücke doch mächtige Wolkenkratzer auf. Das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, hat immerhin stattliche 828 m Höhe.

Blicke in das Gesetz erleichtern bekanntlich die Rechtsfindung. § 905 BGB regelt dann auch die Begrenzung des Eigentums wie folgt: Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Ich kann also nicht verbieten, dass ein Flugzeug – oder gar ein Satellit – über mein Grundstück fliegt.

Wie aber ist es, wenn ein Kran über mein Grundstück schwenkt? Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht München zu befassen.

In Bayern gibt es das sogenannte Hammerschlags- und Leiterrecht, verankert im relativ jungen Artikel 46 b des Bayerischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, oder kurz AGBGB. In Bayern gibt es übrigens Artikel statt Paragraphen, da wir ja immer etwas besonderer sind…

Vereinfacht ausgedrückt regelt diese Norm, dass der Nachbar mein Grundstück betreten darf, Gerüste aufstellen und Maschinen verbringen darf, um sein Grundstück instand zu setzen. Darunter fällt es auch, wenn auf seinem Grundstück ein Kran steht und der Ausleger über mein Grundstück schwenkt. Der Nachbar darf das also, hat dabei aber bestimmte Formalien einzuhalten. Der Nachbar muss mir das einen Monat vorher anzeigen. Reagiere ich nicht, darf er tätig werden. Weigere ich mich, muss er mich verklagen, darf also zuvor den Kran nicht über mein Grundstück schwenken lassen. Ich könnte das sonst im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich verhindern.

 

Urteil vom 15.10.2020

Gericht: OLG München

Aktenzeichen: 8 U 5531/20

Quelle: NZM 2020, 999

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