Kita in Laden zulässig

Ein überraschendes Urteil, das von geistiger Frische des Bundesgerichtshofs zeugt. Ist in einer Teilungserklärung eine Zweckbestimmung geregelt, ist diese grundsätzlich fest zementiert. Ein Laden bleibt ein Laden und kann nicht anders genutzt werden. Basta. Dass jede Regel eine Ausnahme hat, stellte nun der Bundesgerichtshof unter Beweis. Ein Eltern-Kind-Zentrum hatte eine Teileigentumseinheit angemietet, die in der Teilungserklärung als Laden bezeichnet war. Neben dem Kindergartenbetrieb gab es auch Spielgruppen und Deutschkurse für Eltern. Ab und an fanden auch Veranstaltungen und Vorträge statt. Natürlich wurden auch Kinderwägen und Fahrräder vor der Tür abgestellt. Die Eigentümer der Wohnung darüber gingen dagegen vor. Sie wollten, dass die Kita ganz auszieht, zumindest aber leiser ist und machten einen Unterlassungsanspruch geltend.

Nach der bisherigen Rechtsprechung wäre ganz klar gewesen, dass es sich hier um eine zweckwidrige Nutzung handelt. Dann wäre noch die Überlegung anzustellen gewesen, ob diese mehr stört, als die erlaubte Nutzung. Auch das bejahte hier das Gericht zuerst, da Geräusche einer Kita lauter sind als die, die ein Laden verursacht. Eigentlich eine ganz klare Sache.

Der Bundesgerichtshof wählte nun aber einen völlig neuen und innovativen Ansatz. Da Kinder nach der Rechtsprechung keinen Lärm verursachen („Kinderlärm ist Zukunftsmusik“) griff er auf § 22 des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurück. Dieser regelt, dass Geräusche von Kinderspielplätzen oder Kitas keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Das bastelte der BGH nun in seine Auslegung, ob die Geräusche störender seien, mit hinein und kam zu dem Ergebnis, dass man den Kinderlärm nicht als störendes Geräusch werten dürfe. Da die Kita somit (fiktiv) gleich laut war wie ein Laden, war die anderweitige Nutzung hinzunehmen.

Indem der BGH sich hier eines völlig anderen, öffentlich-rechtlichen Gesetzes bedient hat, hat er ein Fass aufgemacht. Die Juristen werden sich nun auch bei anderen Fallkonstellationen auf die Frage stürzen, ob Lärm nicht etwa aufgrund anderer Vorschriften privilegiert ist.

Wohlgemerkt, der BGH hat nur den Lärm außen vor gelassen. Wenn man nun zum Beispiel eine Kita in einer Wohnung aufmachen möchten, ist das weiterhin zweckwidrig, weil hier auch die erhöhte Passantenfrequenz stört.

 

Urteil vom 13.12.2019

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 203/18

Quelle: NZM 2020, 667

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