Änderung der Gemeinschaftsordnung bei Geburtsfehlern

§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG regelt: Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Diese schwammige Regelung muss oft von der Rechtsprechung mit Leben erfüllt werden, wie hier vom Bundesgerichtshof. Es ging um einen sehr interessanten und eher ungewöhnlichen Fall. Einer Garage als Teileigentum war ein Sondernutzungsrecht an Abstellräumen und Wasch- und Trockenräumen zugeteilt. Das stand zumindest auf dem Papier. In der Praxis versteckten sich dahinter aber 18 Wohnungen! Diese Wohnnutzung gab es auch schon seit Anbeginn der Wohnanlage.

Nach zwanzig Jahren verklagten Miteigentümer dann den Sondernutzungsberechtigten erfolgreich, die Räume nicht mehr als Wohnung zu nutzen. Dieser machte dann Anpassung der Gemeinschaftsordnung geltend. Der Bundesgerichtshof erläuterte zuerst, dass dieser Anspruch auf Anpassung nur gilt, soweit die Gemeinschaftsordnung angepasst werden soll. Wenn der sachenrechtliche Teil der Teilungserklärung, also die Einstufung als Teileigentum oder als Wohnungseigentum geändert werden soll, greift § 10 WEG nicht, da eine Vereinbarung nur die gemeinschaftlichen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung, also die Innenbeziehungen betreffen kann. Aus Sicht der Untergerichte war daher hier Schluss, der Eigentümer habe keinen Anspruch auf Abänderung.

Weit gefehlt, urteilten die Bundesrichter. Hier ging es nämlich nicht darum, dass die (Teileigentumseinheit) Garage in Wohnungseigentum umgewandelt werden sollte oder das Sondernutzungsrecht zu vollwertigem Sondereigentum erstarken sollte, was Sachenrecht gewesen wäre. Sondern es sollte ein Sondernutzungsrecht bleiben, nur die Nutzung des Sondernutzungsrechts sollte von Abstellraum/Waschraum auf Wohnnutzung geändert werden. Man darf also in einem Sondernutzungsrecht auch wohnen. Nachdem nun geklärt war, dass man hier lediglich die Innenbeziehungen regelte, konnte mit § 10 WEG, also einer Vereinbarung, gearbeitet werden. Nun stellte sich die weitere Hürde, ob der Eigentümer hier den § 10 WEG mit Leben erfüllen konnte, also schwerwiegende Gründe geltend machen konnte. Das bejahte der Bundesgerichtshof, weil beim Bau der Wohnanlage die betreffenden Räume schon als Wohnungen konzipiert und zugeschnitten waren. Es war in der Gemeinschaftsordnung also schon von Beginn an falsch geregelt gewesen, ein „Geburtsfehler“. Hätte der Eigentümer hingegen erst einige Jahre später einen früher als Abstellraum genutzten Raum als Wohnung umgebaut, hätte er Pech gehabt.

Urteil vom 22.03.2019

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 298/16

Quelle: NZM 2019, 592

Zurück zur Übersicht