Reichweite von Öffnungsklauseln

Wir wollen wissen, wer sich in unserem Haus aufhält! Mit diesem Argument untersagte eine Eigentümergemeinschaft per Beschluss, sogar mit Dreiviertelmehrheit, eine Vermietung als Ferienwohnung. Der Bundesgerichtshof sieht das als unzulässigen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht. Ein blosser Mehrheitsbeschluss genügt hier nicht. Sollte es zu Störungen kommen, hätten die Eigentümer die Möglichkeit, individuell jeder selbst Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Wenn die Teilungsklärung nichts anderes bestimmt und die Wohnungseigentümer nichts anderes vereinbart haben (dazu genügt kein Beschluss, sondern es müssten alle zum Notar), ist die Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste Teil der zulässigen Wohnnutzung, hatte der Bundesgerichtshof schon mit Urteil vom 15. Januar 2010 (V ZR 72/09) entschieden.

Regelungen in Gemeinschaftsordnungen ohne Einschaltung des Notars zu ändern, erfordert daher normalerweise Schlupflöcher in der Gemeinschaftsordnung, gemeinhin auch als Öffnungsklauseln bezeichnet. Manche Notare haben fehlende Fachkenntnis bewiesen und solche sinnvollen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung gar nicht vorgesehen. In dem aktuellen Urteil erweiterte der Bundesgerichtshof nun aber seine Auffassung sogar für den Fall, dass eine Öffnungsklausel vorliegt. Selbst wenn eine vorhanden ist, ist Öffnungsklausel nämlich nicht gleich Öffnungsklausel. Manche erlauben bauliche Veränderungen mit abweichenden Mehrheiten, andere wiederum erlauben eine Änderung der Kostenverteilung und dann gibt es noch das „Breitbandantibiotikum“ der allgemeinen Öffnungsklauseln. Beschlüsse, die aufgrund einer allgemeinen Öffnungsklausel gefasst werden, können gerichtlich in der Regel nur darauf hin überprüft werden, ob das „Ob“ und „Wie“ der Änderung willkürlich ist oder nicht. Strengere Kontrollen wendet das Gericht an, wenn unverzichtbare bzw. unentziehbare Rechte von Sondereigentümern tangiert werden. Dazu zählt beispielsweise die Zweckbestimmung. Soll sie geändert werden, ist neben einem Mehrheitsbeschluss per Öffnungsklausel auch noch die Zustimmung des Eigentümers erforderlich, dessen Sondereigentum betroffen ist. Wenn eine Gemeinschaft daher den Beschluss fasst, dass die kurzzeitige Vermietung des Wohnungseigentums an Feriengäste verboten wird, müssen zusätzlich auch noch alle Eigentümer ihre Zustimmung erteilt haben. In dem Urteil räumte der Bundesgerichtshof erfreulicherweise auch mit einem seltsamen Konstrukt auf, das er vor einiger Zeit eingeführt hat, seitdem aber zu Recht als zu schwammig von der Fachwelt zerrissen wurde, nämlich der schwebenden Unwirksamkeit von Beschlüssen. Es bleibt also dabei: Ein Beschluss kann wirksam sein oder nicht.

 

Urteil vom 12.04.2019

Gericht: BGH

Aktenzeichen: V ZR 112/18

Quelle: NZM 2019, 476

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